Deine Liebe tut so weh Das Meer rauschte, und klatschend schlugen die Wellen an den feinen Sandstrand von Ameland. Esther schmeckte den salzigen Wind auf den Lippen, die Sonne versank glutrot im schäumenden Wasser und tauchte die kleine, zufällig zusammengemischte Gruppe von Reitern, die mit ihren Pferden am Strand entlangritt, in ein unwirkliches Licht. Vor Übermut drückte Esther die Schenkel fest an den Bauch ihres Pferdes. Das Tier verstand das Zeichen sofort und preschte nach vorne. ‚Nicht so schnell‘, riefen ihr die anderen Reiter nach, aber die junge Frau hörte nicht mehr. Sie war gefangen im Rausch der Schnelligkeit, trunken von der Schönheit der Landschaft. Tausende von Wassertropfen stieben unter den fliegenden Hufen, Sand spritzte nach allen Seiten. Esther warf glücklich den Kopf in den Nacken. Ihre langen Haare flogen wie ein dunkler Schleier hinter ihr. Plötzlich donnerte ein mächtiger Wellenschlag, heftiger als die vorherigen, in ihre Ohren. Das Pferd machte einen erschrockenen Satz nach vorn. Entsetzt ließ Esther die Zügel fallen, ihre Hände suchten Halt in der feuchten Mähne, aber obwohl die rauhen Haare scharf in ihre Finger schnitten, rutschte sie ab. Mit einem gellenden Schrei stürzte sie vom Pferderücken und blieb regungslos im Sand liegen. ‚Um Gottes willen!‘ Die Reiter, die das Geschehen mit einer bösen Vorahnung beobachtet hatten, stießen Rufe des Schreckens aus, andere waren stumm vor Entsetzen. Ivo Nister, ein junger Mann mit athletischer Figur, faßte sich als erster wieder. Vorsichtig, weit genug entfernt vom unberechenbaren Wasser, trieb er sein Pferd über die Sanddünen. Als er auf der Höhe des Strandes angekommen war, an dem Esther immer noch lag, zügelte er es und sprang behende von seinem Rücken. Mit angstvoll klopfendem Herzen und beherrschter Miene kniete er neben dem Mädchen nieder. Das Leben ist kein Wunschkonzert . möchte ich Dir danken für die unvergeßlichen Tage in Paris. Wenn ich nur daran denke, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Deine zarten Küsse, mit denen Du mich aufgeweckt hast, Dein Übermut, mit dem Du mich durch die Straßen von Paris gelockt hast. An beinahe jeder Ecke sind wir stehengeblieben, haben uns geküßt, bevor Du mich weitergeführt hast, immer tiefer hinein in das Gewirr aus Straßen und Gassen. Niemals werde ich diese Tage vergessen, niemals werde ich aufhören, Dich zu lieben. Ada ließ das engbeschriebene Blatt sinken. Sie hatte genug gelesen. Während sie aus dem Fenster in die Dunkelheit hinausstarrte, spürte sie den Gefühlen nach, die sie nach der Lektüre des Briefes, der nicht an sie gerichtet war, empfand. Nichts, rein gar nichts. Kein Erstaunen, keine Wut, keine Enttäuschung. Sie hatte es schon immer geahnt, all die Jahre, die sie das Leben nun schon mit dem charmanten, gutaussehenden Karl Stiller teilte. Dieser Brief war nur der Beweis für eine Tatsache, die sie sich beinahe schon herbeigewünscht hatte, um endlich Gewißheit zu haben. Innerlich ganz ruhig, drehte sie sich um, legte das Blatt Papier wieder zurück auf seinen Schreibtisch, wo sie es kurz zuvor gefunden hatte. Auf Karls Wunsch war sie hier in seinem Arbeitszimmer, suchte nach einer wichtigen Geschäftsunterlage, die er versehentlich liegengelassen hatte. Doch statt des Dokumentes hatte sie den Liebesbrief gefunden, geschrieben vor noch nicht einmal zwei Wochen. Paris! Das war die einzige Enttäuschung, die Ada spürte. Wie oft hatte sie Karl gebeten, mit ihr nach Paris zu fahren, ihr die Stadt der Mode, des Glamours zu zeigen. Aber jedes Mal war ihm eine andere Ausrede eingefallen, um die Reise in letzter Minute abzublasen.
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